Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Symptome, Psychotherapie und medikamentöse Behandlung

Einleitung

Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine psychische Erkrankung, die nach traumatischen Ereignissen (z.B. Naturkatastrophen, Kriminalität, Gewalterfahrungen, Krieg) auftreten kann. Studien zeigen, dass ca. 8% der Bevölkerung irgendwann in ihrem Leben eine PTBS entwickeln. Das auslösende Ereignis muss dabei nicht notwendigerweise ein extremes Ausnahmeereignis außerhalb der normalen menschlichen Erfahrung darstellen.

Symptomatik und Typisierung

Nach ICD-11 (International Classification of Diseases) können posttraumatische Belastungsstörungen in eine einfache und eine komplexe PTBS eingeteilt werden. Eine einfache PTBS entwickelt sich eher nach einmaligen, zeitlich begrenzten traumatischen Ereignissen wie Kriegseinsätzen, Katastrophen oder Vergewaltigungen. Eine komplexe PTBS folgt eher auf länger anhaltende und sich wiederholende Traumata oder Extrembelastungen wie z.B. sexueller Mißbrauch oder körperliche Mißhandlungen in der Kindheit, Menschenhandel, Folter oder andere Formen schwerer politischer oder organisierter Gewalt. Die Diagnose komplexe PTBS richtet sich jedoch im Wesentlichen nach der Symptomatik und erst in zweiter Linie nach dem spezifischen erlebten Trauma.
In der klinischen Praxis gibt es Übergänge zwischen den verschiedenen Unterformen sowie beginnende Zustände, die die Kriterien einer PTBS nur teilweise erfüllen.

Symptome einer klassischen (einfachen) PTBS:

  • Intrusionen:
    Wiedererleben des Traumas in Form von Flashbacks, Albträumen oder belastenden Gedanken.
  • Vermeidung:
    Aktive Vermeidung von Situationen, Orten oder Menschen, die an das Trauma erinnern könnten. (anfängliche Entlastung, dann Steigerung der Angst vor den vermiedenen Situationen)
  • Erhöhte Erregung und Reaktivität:
    Schlafprobleme (Einschlafstörungen oder plötzliches Erwachen mit der Symptomatik ähnlich einer Panikattacke), Reizbarkeit, Wutausbrüche, Anspannung, Hypervigilanz und übermäßige Schreckhaftigkeit (z.B. bei akustischen oder optischen Reizen, die an das Trauma erinnern, sog. Trigger)

In der klinischen Praxis gibt es Übergänge zwischen den verschiedenen Unterformen sowie beginnende Zustände, die die Kriterien einer PTBS nur teilweise erfüllen.

Symptome einer komplexen PTBS:

Die Symptome einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung umfassen alle Symptome der klassischen (einfachen) PTBS und zusätzlich:

  • Anhaltende und tiefgreifende Probleme der Emotionsregulation:
    Verstärkte emotionale Reaktivität, Affektverflachung, herabgesetzte Stimmungslage, Antriebsmangel, gewalttätige Durchbrüche, Bewusstseinsveränderungen (Amnesie, Dissoziation, Depersonalisation), Selbstverletzung und Suizidgedanken
  • Ein negatives Selbstkonzept:
    Negativ verzerrte Selbstwahrnehmung wie die Überzeugung, minderwertig, unterlegen oder wertlos zu sein, Gefühlt der Beschmutzung oder Stigmatisierung, gedankliches Grübeln über den Ablauf des traumatischen Ereignisses oder den Täter mit Übergang zu Scham- und Schuldgefühlen
  • Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen:
    Entfremdung von anderen Menschen, Gleichgültigkeit und Interessenverlust, Reizbarkeit

Eine fortbestehende Symptomatik kann zu depressiven Entwicklungen, Leistungseinbußen und Substanzmißbrauch führen. Gerade auch die erhöhte Reizbarkeit kann die sozialen Beziehungen in der Familie und am Arbeitsplatz zusätzlich beeinträchtigen.

Psychotherapie und medikamentöse Behandlung

Die Behandlung einer PTBS sollte in den meisten Fällen wenn möglich vorrangig mittels verhaltenstherapeutischen Psychotherapie erfolgen. Medikamentöse Unterstützung kann zur Abmilderung akuter und sehr belastender Symptome oder bei Therapieresistenz zusätzlich stattfinden. Es empfiehlt sich zur psychotherapeutischen Behandlung einer PTBS einen entsprechend spezialisierten Therapeuten aufzusuchen.
Bei ausgeprägter Symptomatik kann außerdem eine vollstationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik oder einer spezialisierten Klinik der Bundeswehr (für Soldaten) hilfreich sein.

Psychotherapie der posttraumatischen Belastungsstörung:

Die Psychotherapie einer posttraumatischen Belastungsstörung kann in 3 Phasen eingeteilt werden:

  1. Stabilisierungsphase
  2. Trauma-Exposition
  3. Integration und Neurorientierung

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine der am besten erforschten Therapieformen für PTBS. Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) ist eine weitere Therapieoption, bei der Augenbewegungen genutzt werden, um die Verarbeitung traumatischer Erinnerungen zu erleichtern.

Medikamentöse Behandlung:

Antidepressiva, insbesondere SSRIs (z.B. Citalopram), können zur Linderung von PTBS-Symptomen verwendet werden. Begleitend kann außerdem eine Medikation zur Abmilderung von Schlafstörungen erfolgen.
Benzodiazepine (z.B. Lorazepam) und verwandte Substanzen (z.B. Zopiclon) können kurzfristig eine sehr hilfreiche Wirkung entfalten, das Abhängigkeitsrisiko sollte jedoch gut im Auge behalten werden.

Ursachen und Entstehung:

Insgesamt ist das wissenschaftlich gesicherte Wissen, um die genauen Ursachen und die Entstehung einer posttraumatischen Belastungsstörung noch begrenzt.
Es wurden verschiedene Erklärungsmodelle entwickelt, die versuchen neurobiologische und lerntheoretische Hypothesen zu integrieren.

Trauma:

Voraussetzung für die Entstehung und Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ist das Vorhandensein eines als traumatisch klassifizierbaren außergewöhnlich belastenden Ereignisses.
Die Schwere der Symptomatik korreliert zwar statistisch mit der Schwere des Traumas. Das Verhältnis ist jedoch nicht linear. So gibt es beispielsweise Menschen, die auch nach schwersten traumatischen Ereignissen keine PTBS entwickeln.

Genetik:

Studien zeigen, dass ca. 30-40 % der Varianz der typischen Symptomatik durch genetische Faktoren erklärt werden kann. Es gibt Hinweise, dass ein Polymorphismus des Serotonin-Transportergens beteiligt sein könnte.
Es werden komplexe Wechselwirkungen zwischen genetischen Prädispositionen, epigenetischen Einflüssen, frühen Kindheitserfahrungen und traumatischen Ereignissen angenommen, die Gegenstand der aktuellen Forschung sind.

Neurobiologie:

Komplexität und Vielfalt der Symptomatik legen nahe, dass verschiedene neurobiologische Regelkreise beteiligt sind, die die Entstehung der Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (Hyperarousal) beeinflussen.
Verschiedene Untersuchungen und Studien weisen darauf hin, dass u.a. erhöhte Katecholamine, Serotoninmangel sowie Veränderungen im Opioid-System sowie im Cortisol-System eine Rolle spielen. Insbesondere der Serotonin-Mangel passt zum positiven Effekt einer Medikation mit Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) auf die Symptomatik. Die Art der festgestellten neurobiologischen Veränderungen weicht dabei von der bei anderen psychischen Erkrankungen wie z.B. einer Depression ab.

Lerntheoretische Modelle:

Verschiedene Erklärungsmodelle formulieren Hypothesen über kognitive Verarbeitungsprozesse, die eine Rolle bei der Entstehung einer PTBS spielen könnten. So kann die kognitive Interpretation eine Rolle spielen, in welchem Ausmaß die traumatische Situation vom Opfer als gefährlich oder bedrohlich eingeschätzt wird. Weitere Überlegungen nehmen an, dass Betroffene von PTBS in der Vergangenheit liegende traumatische Ereignisse so verarbeiten, dass sie weiterhin eine aktuelle Bedrohung wahrnehmen. Auch die Fragmentierung des Gedächtnisses kann eine Rolle spielen. Wenn traumatische Inhalte kognitiv isoliert dastehen, können sie nicht in einen Gesamtzusammenhang eingliedert werden, der beispielsweise eine Abmilderung der aktuell wahrgenommenen Bedrohungslage erlaubt.

Literatur

Schäfer, Ingo, et al., eds. S3-Leitlinie posttraumatische Belastungsstörung. Berlin: Springer, 2019.

Gysi, Jan. Diagnostik von Traumafolgestörungen: Multiaxiales Trauma-Dissoziations-Modell nach ICD-11. Hogrefe AG, 2022.

Terhakopian, Artin, et al. „Estimating population prevalence of posttraumatic stress disorder: an example using the PTSD checklist.“ Journal of Traumatic Stress: Official Publication of The International Society for Traumatic Stress Studies 21.3 (2008): 290-300.

Gressier, Florence, et al. „The 5‐HTTLPR polymorphism and posttraumatic stress disorder: A meta‐analysis.“ Journal of traumatic stress 26.6 (2013): 645-653.

Amstadter, Ananda B., Nicole R. Nugent, and Karestan C. Koenen. „Genetics of PTSD: fear conditioning as a model for future research.“ Psychiatric annals 39.6 (2009).

Autor:

Dr. med. Robert Sarrazin – Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie