Sucht und Abhängigkeit

Behandlung und psychotherapeutische Ansätze

Eine Abhängigkeit ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung, die sowohl für Betroffene als auch für deren Umfeld eine erhebliche psychische Belastung darstellen kann. Suchterkrankungen können dramatische Folgen haben und ihre Therapie gestaltet sich oft komplex, da sowohl körperliche als auch psychiatrische Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Insbesondere bei stoffgebundenen Abhängigkeiten (z. B. Alkohol oder Drogen) steht zu Beginn der Behandlung in der Regel der körperliche Entzug im Vordergrund. Um jedoch eine dauerhafte Verhaltensänderung zu erreichen, ist im Anschluss eine psychotherapeutische Betreuung entscheidend.

Im Rahmen einer Psychotherapie kann die Motivation für den Entzug herausgearbeitet und gefestigt werden. Eine psychotherapeutische Behandlung spielt jedoch auch bei nichtstoffgebundenen Abhängigkeiten (z. B. Spielsucht) eine zentrale Rolle.

In Deutschland konsumiert etwa jede siebte Person Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen (Rauschert et al., 2022). Zudem gelten 3,1% der Erwachsenen als alkoholabhängig (Atzendorf et al., 2019).

Alkoholbedingte Folgeerkrankungen sind außerdem für eine Vielzahl jährlicher Todesfälle verantwortlich und stellen eine erhebliche psychosoziale Belastung für Betroffene und Angehörige dar.

Der Entschluss zum Entzug und zur Therapie kann eine große Hürde darstellen. Niedrigschwellige Beratungs- und Hilfsangebote sind daher essenziell. Bei Fragen zu Sucht und Abhängigkeit können unter anderem Hausärzte, niedergelassene Psychotherapeuten oder Selbsthilfeprogramme erste Anlaufstellen sein.

Entstehung und Risikofaktoren

Die Entwicklung einer Abhängigkeit wird durch ein komplexes Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren beeinflusst.

Aus psychotherapeutischer Sicht ist es wichtig, diese Einflüsse zu erkennen, um eine gezielte Therapie durchzuführen. Beispielsweise können psychosoziale Stresssituationen zu erhöhtem Alkoholkonsum führen, insbesondere dann, wenn Alkohol zur Stressreduktion genutzt wird.

Auch der familiäre Umgang mit Alkohol während der Kindheit kann das spätere Konsumverhalten beeinflussen. Dabei spielen sowohl genetische Veranlagungen als auch von den Eltern übernommene Verhaltensmuster eine Rolle. In der psychotherapeutischen Behandlung werden daher häufig auch familiäre Prägungen und frühere Erfahrungen thematisiert.

Kinder aus suchtbelasteten Familien tragen ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens selbst eine Abhängigkeit zu entwickeln. Studien belegen zudem eine familiäre Häufung der Alkoholabhängigkeit (Sher et al., 1991). Auch traumatische Kindheitserfahrungen, wie Gewalt oder Vernachlässigung, gelten als Risikofaktoren für früh beginnenden Alkoholkonsum und späteren Missbrauch (Moustafa et al., 2021).

Darüber hinaus wird vermutet, dass eine geringe körperliche Reaktion auf Alkohol das Risiko für übermäßigen Konsum erhöht. Umgekehrt scheint bei Menschen mit niedriger Alkoholtoleranz ein geringeres Risiko für missbräuchlichen Konsum zu bestehen.

Zudem sind mittlerweile genetische Varianten bekannt, die das Risiko für die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit beeinflussen. Dazu zählen unter anderem die Gene ADH1B und ALDH2. Gene sind Abschnitte auf der DNA, die als Bauanleitung für Proteine im Körper dienen.

Diese Gene führen zur Bildung der Enzyme Alkoholdehydrogenase und Aldehyddehydrogenase, die am Abbau von Alkohol im Körper beteiligt sind. Beim Abbauprozess entsteht unter anderem Acetaldehyd, ein toxisches Zwischenprodukt, das Beschwerden wie Übelkeit, Gesichtsrötung und Herzklopfen auslösen kann.

Bestimmte genetische Varianten dieser Gene führen dazu, dass Acetaldehyd zwar schneller gebildet, jedoch langsamer abgebaut wird. Dadurch verbleibt es mitsamt seiner unangenehmen Wirkung länger im Körper. Menschen mit einer solchen genetischen Veranlagung empfinden den Alkoholkonsum oft als unangenehm, was das Risiko für eine Abhängigkeit deutlich senken kann (Edenberg et al., 2019).

Merkmale einer Abhängigkeit

Die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit stützt sich in erster Linie auf die Anamnese im Gespräch mit dem behandelnden Arzt oder Psychotherapeuten. In der Diagnostik werden zudem oft Fragebögen eingesetzt, die das Konsumverhalten und mögliche psychische Begleitproblematiken erfassen können.

Ein gängiger Test zur Erfassung riskanten Alkoholkonsums ist der AUDIT (alcohol use disorder identification test) oder dessen Kurzversion, der AUDIT-C.

Darüber hinaus können bestimmte Blutwerte Hinweise auf chronischen oder kürzlichen Alkoholkonsum liefern. Diese sollten jedoch nicht allein zur Diagnosestellung herangezogen werden.

Im medizinisch-psychotherapeutischen Kontext unterscheidet man verschiedene Formen und Abstufungen des Alkoholkonsums:

Riskanter Konsum: Es liegt (noch) kein gesundheitlicher Schaden vor, jedoch ist das Konsumverhalten mit einem erhöhten Risiko verbunden.

Schädlicher Gebrauch: Durch den Konsum sind bereits psychische oder körperliche Schäden eingetreten.

Alkoholabhängigkeit: Die Diagnose einer Abhängigkeit kann gestellt werden, wenn innerhalb des letzten Jahres drei oder mehr der folgenden Kriterien erfüllt waren:

  • Starkes Verlangen oder innerer Zwang, Alkohol zu konsumieren
  • Kontrollverlust über Beginn, Ende und Menge des Konsums
  • Auftreten körperlicher Entzugssymptome nach Beendigung des Konsums
  • Es werden zunehmend größere Mengen benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen (Toleranzentwicklung)
  • Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Konsums
  • Konsum wird trotz körperlicher oder psychischer Folgeschäden nicht eingestellt

Psychische Begleiterkrankungen treten bei Suchterkrankungen häufig auf und sollten sowohl bei der Diagnosestellung als auch im Rahmen der Behandlung und Psychotherapie berücksichtigt werden. Zu den häufigsten psychischen Begleiterscheinungen zählen unter anderem:

(Castillo-Carniglia et al., 2019)

Körperliche Folgen chronischen Alkoholkonsums

Chronischer Alkoholkonsum wirkt sich negativ auf alle Organsysteme aus und kann zu einer Vielzahl von Folgeerkrankungen führen. Besteht der Verdacht auf eine Alkoholabhängigkeit, sollten daher neben möglichen psychiatrischen Begleiterkrankungen auch körperliche Folgen des Konsums abgeklärt werden.

Während es Studien gibt, die auf einen potenziell positiven Effekt leichten Alkoholkonsums auf Typ 2 Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hinweisen, gibt es bislang keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass moderater Konsum das Risiko für Krebserkrankungen senken könnte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont daher, dass es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge Alkohol gibt (Anderson et al., 2023).

Auswirkungen auf die Leber

Die Leber ist ein zentrales Stoffwechselorgan mit zahlreichen lebenswichtigen Funktionen. In den Leberzellen wird unter anderem Gallenflüssigkeit produziert, Vitamine und Mineralstoffe gespeichert sowie schädliche Abfallprodukte umgewandelt und ausgeschieden.

Zwar besitzt die Leber die Fähigkeit, sich selbst nach einer Schädigung zu regenerieren, jedoch ist dies nur bis zu einem gewissen Grad möglich.

Übermäßiger Alkoholkonsum ist in Deutschland die häufigste Ursache für chronische Lebererkrankungen, da Alkohol hauptsächlich in den Leberzellen abgebaut wird. Dabei entstehen schädliche Zwischenprodukte wie Acetaldehyd, das toxisch auf Leberzellen wirkt, Entzündungsprozesse fördert und als potenziell krebserregend gilt (Gapstur et al., 2023).

Eine zentrale Aufgabe der Leber ist außerdem der Fettabbau. Alkohol stört diesen Prozess, wodurch es zur Einlagerung von Fetten in die Leberzellen kommt. Über längere Zeit führt dies zur Leberverfettung (Steatosis hepatis). Eine Fettleber kann sich innerhalb einiger Wochen zurückbilden, sofern vollständig auf Alkohol verzichtet wird.

Die nächste Stufe der Schädigung ist die alkoholische Steatohepatitis (ASH). Hier kommt es zusätzlich zur Leberverfettung zu Entzündungen und ersten Umbauprozessen im Lebergewebe. Ab diesem Stadium ist die Leberschädigung durch Verzicht auf Alkohol nicht mehr vollständig umkehrbar, lediglich das Fortschreiten der Erkrankung kann durch Abstinenz aufgehalten werden.

In der Folge werden die Leberzellen zunehmend durch Bindegewebe ersetzt, wodurch sich das Organ verhärtet und allmählich seine Funktionsfähigkeit verliert. Man spricht von einer Leberfibrose.

Das Endstadium chronischer Leberschäden ist die Leberzirrhose. Dabei sind bereits große Teile des Organs durch Bindegewebe zerstört, was zu einem schwerwiegenden Funktionsverlust führt. Typische Folgen sind eine erhöhte Blutungsneigung, Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum, Gelbsucht sowie neurologische Schäden infolge der Ansammlung von Toxinen.

Die Leberzirrhose ist außerdem ein Hauptrisikofaktor für die Entwicklung eines Leberzellkarzinoms (Hepatozelluläres Karzinom, HCC).

Auswirkungen auf die Bauchspeicheldrüse

Die Bauchspeicheldrüse spielt eine zentrale Rolle bei der Verdauung. Unter anderem produziert sie Enzyme, die Nährstoffe in ihre Bestandteile spalten und bildet zudem wichtige Hormone zur Regulation des Blutzuckerspiegels (z. B. Insulin und Glucagon).

Ähnlich wie in der Leber führt chronischer Alkoholkonsum auch in der Bauchspeicheldrüse zu Gewebsveränderungen und Entzündungsschüben, sodass das Organ geschädigt wird. Eine chronische Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis) entsteht in 80% der Fälle durch übermäßigen Alkoholkonsum.

Sowohl starker Alkoholkonsum als auch eine chronische Pankreatitis sind zudem bedeutende Risikofaktoren für die Entstehung von Bauchspeicheldrüsenkrebs (Pankreaskarzinom).

Auswirkungen auf Speiseröhre, Magen und Darm

Durch seine toxische Wirkung erhöht Alkohol das Risiko für verschiedene Krebserkrankungen – unter anderem im Kehlkopf, in der Speiseröhre und im Magen. Auch das Risiko für Tumorerkrankungen im unteren Verdauungstrakt ist erhöht (IARC, 2023).

Entzug und Behandlungsmöglichkeiten

Für Menschen mit Suchterkrankungen gibt es verschiedene Anlaufstellen und Behandlungsangebote. Dazu zählen unter anderem Krankenhäuser, psychiatrische Kliniken, niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten, Beratungsstellen sowie Selbsthilfegruppen.

Trotz dieser Angebote erhält derzeit nur etwa jede sechste erwachsene Person mit Abhängigkeitsproblematik eine adäquate Behandlung (Frischknecht et al., 2019). Im Suchthilfeverzeichnis finden sich Informationen zu Beratungsstellen und Hilfseinrichtungen in Deutschland.

Ein Entzug kann sowohl ambulant als auch stationär erfolgen. Er sollte jedoch ärztlich und psychotherapeutisch begleitet werden, da es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen kann.

Die Kosten einer professionellen Entzugstherapie werden in der Regel von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen, sofern sie in einer öffentlichen Klinik oder bei einem Arzt mit Kassenzulassung durchgeführt wird. Suchtbehandlungen in Privatkliniken müssen meist selbst bezahlt werden. Für die Dauer der Therapie können sich Patientinnen und Patienten vom Hausarzt oder der behandelnden Klinik krankschreiben lassen.

Die Behandlung einer Abhängigkeit gliedert sich im Idealfall in drei Phasen: den körperlichen Entzug (Entgiftung), die Behandlung der psychischen Abhängigkeit (Entwöhnung) sowie eine anschließende psychotherapeutische Nachsorge.

Komplikationen beim Entzug: Das Alkoholentzugsdelir

Typische Symptome eines Entzugs sind unter anderem Übelkeit, Erbrechen, Zittern, Schwitzen, Angst und Unruhe. Besteht der Verdacht, dass zusätzlich schwerwiegende Entzugskomplikationen auftreten könnten, sollte ein Entzug stationär durchgeführt werden. Zu möglichen Komplikationen zählen zum Beispiel Krampfanfälle oder ein Delir.

Das Alkoholentzugsdelir (Delirium tremens) ist eine schwerwiegende und potenziell lebensbedrohliche Komplikation. Dabei kann es zu Verwirrtheit, Desorientierung und Halluzinationen kommen. Unbehandelt verläuft ein Alkoholentzugsdelir in etwa 30% der Fälle tödlich (Maschke et al., 2020). Eine frühzeitige Behandlung ist daher essenziell und senkt das Risiko deutlich.

Der Alkoholentzug führt zu einer gesteigerten Erregbarkeit des Nervensystems. Ursachen hierfür sind unter anderem Störungen im Elektrolythaushalt sowie eine Fehlregulation von Botenstoffen im Gehirn. Alkohol bewirkt eine Erhöhung hemmender Transmitter wie GABA, was dämpfend auf das Nervensystem wirkt. Durch einen plötzlichen Entzug kommt es dann zu einer überschießenden Gegenreaktion, bei der vermehrt erregende Signale ausgesendet werden.

Die Symptome beginnen meist kurz nach Beendigung des Alkoholkonsums und erreichen ihren Höhepunkt nach etwa 48 Stunden. In der Regel klingen sie nach vier bis fünf Tagen wieder ab.

Mithilfe von Medikamenten können Entzugssymptome gelindert und das Risiko schwerer Komplikationen reduziert werden. Einige Medikamente unterstützen zusätzlich die psychotherapeutische und medizinische Behandlung, indem sie das Verlangen nach dem Suchtmittel („Craving“) verringern:

  • Benzodiazepine: Lindern Entzugssymptome und senken das Risiko schwerer Komplikationen. Sie sollten jedoch nur kurzfristig eingesetzt werden.
  • Clomethiazol: Wirkt ähnlich wie Benzodiazepine, darf jedoch nur im Rahmen einer stationären Behandlung eingesetzt werden.
  • Acamprosat: Reduziert das Verlangen nach Alkohol und kann helfen, die Abstinenz aufrechtzuerhalten.
  • Naltrexon: Trägt ebenfalls zur Rückfallprophylaxe bei.

(S3-Leitlinie Screening, Diagnostik und Behandlung alkoholbezogener Störungen, 2021)

Ablauf eines Entzugs

Beim Alkoholentzug wird zwischen der körperlichen Entgiftung und der sogenannten qualifizierten Entzugsbehandlung unterschieden. Die körperliche Entgiftung ist dabei nur ein Teilschritt einer vollständigen Suchttherapie, die körperliche, psychische und soziale Aspekte berücksichtigt.

  • Körperliche Entgiftung: Behandlung der akuten Alkoholintoxikation und der Entzugssymptome.
  • Qualifizierte Entzugsbehandlung: Behandlung körperlicher und psychischer Begleit- sowie Folgeerkrankungen mit dem Ziel, eine dauerhafte Verhaltensänderung zu erreichen.

Von einem „kalten Entzug“ spricht man, wenn der Alkoholkonsum abrupt und ohne ärztliche oder psychotherapeutische Begleitung beendet wird. Dies birgt ein hohes Risiko für schwere Komplikationen wie Krampfanfälle oder ein Delir und führt meist nicht zu einer dauerhaften Abstinenz, da begleitende Maßnahmen wie Entwöhnung oder Psychotherapie fehlen.

Der ambulante Entzug

Ein ambulanter Entzug stellt für viele Betroffene im Vergleich zu einem stationären Aufenthalt eine niedrigschwellige Option dar. Der Entzug findet zu Hause statt, jedoch unter ärztlicher und/oder psychotherapeutischer Begleitung.

Ein ambulanter Entzug ist möglich, wenn die betroffene Person auch im häuslichen Umfeld abstinent bleiben kann und keine schweren Komplikationen zu erwarten sind. Wichtig dafür sind ein stabiles soziales Umfeld und eine gesicherte Wohnsituation.

Zu Beginn planen Behandler und Patient gemeinsam das Vorgehen und besprechen mögliche Risiken. In den ersten Tagen der Entgiftung stellt sich die betroffene Person regelmäßig oder täglich in der Praxis vor. Später können die Abstände zwischen den Terminen vergrößert werden.

Während eines ambulanten Entzugs können sich Betroffene krankschreiben lassen. Unter Umständen kann es jedoch auch hilfreich sein, weiterhin gewohnten Tätigkeiten nachzugehen, um für Ablenkung und Struktur zu sorgen.

Ein ambulanter Entzug umfasst in erster Linie die körperliche Entgiftung. Die akuten Entzugserscheinungen lassen meist nach einigen Tagen nach. Im Anschluss sollte eine Psychotherapie erfolgen, um langfristig eine Entwöhnung sowie eine Verhaltensänderung zu erreichen und Rückfällen vorzubeugen.

Der stationäre Entzug

Während eines stationären Entzugs halten sich Patienten in einer spezialisierten Klinik auf. Eine andere Möglichkeit stellt der teilstationäre Entzug dar. Dabei verbringen Betroffene den Tag in der Klinik und nehmen an Sitzungen oder Therapien teil, schlafen jedoch zu Hause.

Eine stationäre Entgiftung kann sowohl in einer öffentlichen Klinik als auch in einer Privatklinik erfolgen. Sie dauert in der Regel etwa 5 bis 14 Tage, abhängig von der Schwere der Entzugssymptome und dem Konzept der jeweiligen Einrichtung. Es gibt außerdem Kliniken, in denen ein stationärer Entzug anonym oder unter einem Pseudonym durchgeführt werden kann.

Finanzierung einer Entzugstherapie

Die Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus wird in der Regel von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen und erfordert eine Einweisung durch den Hausarzt oder einen Facharzt.

Nach dem körperlichen Entzug folgt die eigentliche Entwöhnung, also eine psychotherapeutische Behandlung zur Rückfallprophylaxe. Diese kann ebenfalls in einer öffentlichen Fachklinik oder in einer privaten Einrichtung stattfinden.

Da es sich bei der Entwöhnung um eine Rehabilitationsmaßnahme mit dem Ziel handelt, die Arbeitsfähigkeit langfristig wiederherzustellen, übernehmen in der Regel die Rentenversicherungsträger die Kosten bei Berufstätigen. Bei Rentnern oder Erwerbsunfähigen kommt die gesetzliche Krankenversicherung für die Kosten auf.

Die Dauer der Entwöhnungsbehandlung beträgt etwa 8 bis 16 Wochen. Häufig ist jedoch kein nahtloser Übergang von der körperlichen Entgiftung zur Entwöhnung möglich, da Antragstellung, Bewilligung und Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz zu Verzögerungen führen. In dieser Wartezeit findet oft keine Betreuung des Patienten statt.

In privaten Kliniken sind die Wartezeiten meist deutlich kürzer und der Aufnahmeprozess unkomplizierter. Die Kosten einer Behandlung müssen jedoch in der Regel selbst getragen werden, sofern sie nicht über eine private Krankenversicherung abgedeckt sind.

Nach der Entwöhnungstherapie sollte eine langfristige Nachsorge erfolgen, zum Beispiel in Form einer ambulanten Psychotherapie. Mehr Informationen zur Kostenübernahme einer Psychotherapie finden Sie hier.

Psychotherapeutische Verfahren in der Suchtbehandlung

Der Weg in eine Psychotherapie beginnt für gesetzlich Versicherte mit der psychotherapeutischen Sprechstunde. Dabei handelt es sich um ein Erstgespräch mit einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten. Dort wird festgestellt, ob eine psychische Erkrankung vorliegt und welche Form der Psychotherapie sich zur Behandlung eignet.

Für die psychotherapeutische Sprechstunde ist keine Überweisung erforderlich. Ein Termin für die psychotherapeutische Sprechstunde kann über die Therapeutensuche von Tymia oder über die Terminservicestellen (TSS) der Kassenärztlichen Vereinigung vereinbart werden. Die TSS sind verpflichtet, innerhalb von vier Wochen einen Termin für das Erstgespräch zu vermitteln.

Jeder Psychotherapeut mit Kassenzulassung muss pro Woche mindestens 100 Minuten für die psychotherapeutische Sprechstunde anbieten. Leider bedeutet ein Termin für das Erstgespräch nicht automatisch, dass ein freier Therapieplatz zur Verfügung steht. Es ist daher möglich, dass die eigentliche Therapie bei einem anderen Therapeuten erfolgt.

Nach der psychotherapeutischen Sprechstunde haben Patientinnen und Patienten mehrere Möglichkeiten:

Einzelpsychotherapie: Eine Einzelpsychotherapie muss von der Krankenkasse genehmigt werden. Sie kann als Kurz- oder Langzeittherapie durchgeführt werden, allerdings betragen die Wartezeiten oft einige Monate.

Gruppenpsychotherapie: Eine Gruppenpsychotherapie erfordert ebenfalls eine Genehmigung durch die Krankenkasse, jedoch sind die Wartezeiten in der Regel kürzer.

Gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung: Die gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung ist ein niedrigschwelliges Angebot und dient als erste Basismaßnahme bei psychischen Problemen. Eine Genehmigung durch die Krankenkasse ist nicht notwendig. Es können bis zu 8 Sitzungen zu je 50 Minuten in Anspruch genommen werden.

Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)

Die kognitive Verhaltenstherapie ist eine Form der Psychotherapie, die auf der Annahme basiert, dass problematische Verhaltensweisen sowohl erlernt als auch wieder verlernt werden können. Die kognitive Verhaltenstherapie zählt zu den Richtlinienverfahren, was bedeutet, dass die Kosten bei entsprechender Indikation von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden.

Ein Bestandteil der Verhaltenstherapie bei alkoholabhängigen Patienten kann das sogenannte Expositionstraining („Cue Exposure Therapy“, CET) sein. Dabei wird die betroffene Person mit Situationen konfrontiert, die einen Rückfall auslösen könnten.

Während der Vorbereitung erarbeiten Patient und Therapeut gemeinsam, welche Situationen ein besonders hohes Rückfallrisiko bergen (z. B. der Besuch einer Bar), und ordnen diese hierarchisch. Anschließend wird der Patient schrittweise in therapeutischer Begleitung mit diesen Situationen konfrontiert.

In der anschließenden Reflexion wird die Übung besprochen. Dabei wird auch thematisiert, welche Aspekte des Trainings als besonders herausfordernd erlebt wurden. Anhand dessen wird gemeinsam geplant, wie mit ähnlichen Herausforderungen künftig besser umgegangen werden kann.

Ziele eines Expositionstrainings sind unter anderem:

  • Die Verknüpfung zwischen Reiz und Reaktion (z. B. Alkohol sehen → trinken) kann durch wiederholtes Üben gelöscht oder durch neue Verhaltensweisen ersetzt werden.
  • Das Erlernen von Bewältigungsstrategien für Suchtverlangen und Risikosituationen.
  • Die Erfahrung, dass Risikosituationen durch eigenes Handeln gemeistert werden können (Stärkung der Selbstwirksamkeit).
  • Die Erkenntnis, dass das Suchtverlangen nicht unbegrenzt ansteigt, sondern mit der Zeit nachlässt.
Motivierende Gesprächsführung

Die Grundlage jeder Suchttherapie ist der eigenständige Wunsch der Patientin oder des Patienten, etwas an der aktuellen Situation zu verändern. Die motivierende Gesprächsführung („Motivational Interviewing“, MI) ist eine psychotherapeutische Methode, die darauf abzielt, diese Motivation zur Verhaltensänderung zu stärken.

In der Psychotherapie geht man davon aus, dass Menschen mit Suchterkrankungen einem Entzug grundsätzlich nicht abgeneigt sind. Vielmehr sind sie innerlich zwiegespalten (ambivalent) und schwanken zwischen den Vorteilen (z. B. bessere Beziehung zu Freunden oder Familie) und den Nachteilen (z. B. Angst vor Nüchternheit oder emotionaler Leere) einer Suchtbehandlung.

Der Psychotherapeut bestärkt den Wunsch nach Veränderung, jedoch ohne Druck auszuüben. Ziel der Methode ist es auch, Ambivalenzen herauszuarbeiten, also die Gründe, die aktuell noch gegen eine Veränderung sprechen.

Im Fokus der Psychotherapie stehen dabei vor allem auf die Gedanken und Motive der betroffenen Person:

  • Wofür könnte es sich lohnen, keinen Alkohol mehr zu trinken?
  • Was würde sich ändern, wenn ich abstinent wäre?
  • Welche positiven Aspekte verbinde ich mit dem Trinken?
  • Was stört mich daran, wenn ich Alkohol konsumiere?
Systemische Therapie

Die systemische Therapie gehört – neben der Verhaltenstherapie, der analytischen Psychotherapie und der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie – zu den vier Richtlinienverfahren.

Zentrales Prinzip ist die Annahme, dass psychische Erkrankungen sowohl positiv als auch negativ durch das soziale Umfeld beeinflusst werden können. Eine nachhaltige Veränderung ist daher nur im Kontext des sozialen Systems möglich.

Da sich menschliche Beziehungen wechselseitig beeinflussen, ist ein stabiles soziales Umfeld entscheidend, um langfristige Veränderungen zu erreichen. In der systemischen Therapie werden daher enge Bezugspersonen in die Psychotherapie einbezogen.

Gerade bei alkoholabhängigen Patienten ist dies sinnvoll, da das Trinkverhalten oft zu Konflikten in der Familie oder Partnerschaft führt. Solche Konfliktsituationen können wiederum Rückfälle begünstigen.

Gruppentherapie

Die Wirksamkeit einer Gruppentherapie ist bei den meisten Krankheitsbildern vergleichbar mit der einer Einzeltherapie. Allerdings sind die Wartezeiten in der Regel deutlich kürzer. Durch das Gruppensetting ergeben sich zudem einige Vorteile gegenüber der Einzeltherapie:

  • Bessere Verfügbarkeit
  • Oft als niedrigschwelliges Angebot verfügbar
  • Rückmeldung und Unterstützung durch mehrere Menschen
  • Abbau von Scham
  • Austausch mit anderen Betroffenen

Es gibt Gruppen, die sich auf ein bestimmtes Krankheitsbild spezialisieren, sowie gemischte Gruppen, in denen Menschen mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen zusammenkommen.

Eine Gruppentherapie muss durch die Krankenkasse genehmigt werden und kann sowohl als Kurz- als auch als Langzeittherapie durchgeführt werden. Die Kurzzeittherapie in der Gruppe umfasst 12 Sitzungen und kann auf bis zu 24 Sitzungen erweitert werden. Bei einer Langzeittherapie sind deutlich mehr Sitzungen möglich. Die genaue Anzahl richtet sich nach dem jeweiligen Verfahren – bei einer Verhaltenstherapie sind beispielsweise bis zu 80 Sitzungen vorgesehen.

Patienten, die sich unsicher sind, ob eine Gruppentherapie für sie geeignet ist, können zunächst die gruppenpsychotherapeutische Grundversorgung in Anspruch nehmen. Dabei handelt es sich um ein niedrigschwelliges Angebot mit einer geringen Anzahl an Sitzungen, das keine Genehmigung durch die Krankenkasse erfordert.

Ein Therapieplatz in einer Gruppentherapie kann zum Beispiel über Gruppenplatz.de gefunden werden.

Selbsthilfegruppen

Ein weiteres leicht zugängliches Angebot stellen Selbsthilfegruppen dar. Diese sind in der Regel kostenlos und in vielen Fällen ist zuvor nicht einmal eine Anmeldung erforderlich, denn das Ziel vieler Selbsthilfegruppen ist, die Hemmschwellen so gering wie möglich zu halten.

Selbsthilfegruppen werden in der Regel nicht psychotherapeutisch oder ärztlich geleitet, sondern zum Beispiel durch Sozialpädagogen oder Privatpersonen organisiert. Eine Selbsthilfegruppe widmet sich meist einem spezifischen Thema, zum Beispiel Sucht und Abhängigkeit.

Einige Selbsthilfegruppen beziehen auch Angehörige mit ein, während sich andere ausschließlich an Betroffene richten. Zudem gibt es immer mehr Gruppen, die auch online stattfinden.

Selbsthilfegruppen lassen sich leicht über die Internetseiten der jeweiligen Organisationen finden, zum Beispiel:

Umgang mit Rückfällen

Das Risiko für einen Rückfall ist besonders zu Beginn der Abstinenz erhöht. Die Rückfallquote im ersten halben Jahr nach einer stationären Suchtbehandlung beträgt 33% (Gaßmann et al., 2018). Danach treten Rückfälle seltener auf.

Zu Beginn der Therapie ist es daher wichtig, dass Therapeut und Patient offen über die Möglichkeit eines Rückfalls sprechen. Es sollte kommuniziert werden, dass Rückfälle möglich sind und zum Prozess dazugehören können. Außerdem können konkrete Maßnahmen für den Fall eines Rückfalls besprochen werden.

Nach einem Rückfall oder einem Fast-Rückfall, sollte gemeinsam reflektiert werden, welche Auslöser und Umstände dazu geführt haben. Ein Rückfall muss dabei nicht als Scheitern gewertet werden. Vielmehr ist er ein Teil des Lernprozesses, aus dem Erkenntnisse für den weiteren Umgang mit Risikosituationen gewonnen werden können.

Die individuellen Rückfallrisiken sind von Person zu Person verschieden. Mögliche Auslöser sind zum Beispiel Streitsituationen mit dem Partner oder der Familie, Partys oder Stress. Im Rahmen der Psychotherapie ist es daher essenziell, die persönlichen Risikofaktoren zu identifizieren und passende Bewältigungsstrategien für kritische Situationen zu entwickeln.

Literatur

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02.06.2025

Autor

  • Dr. med. Robert Sarrazin - Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie - Geschäftsführer Tymia GmbH

    Dr. med. Robert Sarrazin arbeitet als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in eigener Praxis. Zu seinen Behandlungsschwerpunkten zählen u.a. Depressionen, Angst- und Panikstörungen, chronische Überlastung und Burnout sowie psychosomatische Beschwerden. Dr. Sarrazin unterstützt seine Patienten mit verhaltenstherapeutischer Psychotherapie sowie bei Bedarf zusätzlich mit Medikamenten. Er greift dabei auf eine langjährige praktische Berufserfahrung in verschiedenen Kliniken und im ambulanten Bereich zurück.

Inhaltsverzeichnis