Ohne Vorkenntnisse kann die Abrechnung nach GOÄ bzw. GOP in der Psychotherapie unübersichtlich und verwirrend sein. Der folgende Leitfaden beantwortet die häufigsten Fragen – von der Verhaltenstherapie über die tiefenpsychologische Psychotherapie bis zu probatorischen Sitzungen. Dabei stehen vor allem die GOÄ-Ziffern 870, 861 sowie 812a und 801 im Fokus. Der Beitrag wurde von selbstständigen Psychotherapeuten für Psychotherapeuten verfasst.
Mit Einführung der neuen Analog-Abrechnungen von GOÄ-Ziffern für Psychotherapie entstanden neue Abrechnungsmöglichkeiten nach GOÄ/GOP.
(vgl. gemeinsame Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkammer, dem Verband der Privaten Krankenversicherung und den Beihilfestellen von Bund und Ländern (außer Hamburg und Schleswig-Holstein) mit Geltung ab 1. Juli 2024).
Neben der bereits langjährig bestehenden Abrechnung nach den GOÄ-Ziffern 870 (Verhaltenstherapie) und 861 (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) ist nun auch die Verwendung der analogen Abrechnungsziffern 812a und 801a möglich. Dadurch bestehen letztlich nebeneinander mehrere Abrechungsoptionen für die gleiche Leistung. Psychotherapeuten können selbst entscheiden, welche sie jeweils verwenden wollen.
Insbesondere die Kombination der GOÄ-Ziffer 812a (Kurzzeittherapie, Akuttherapie, und psychotherapeutische Sprechstunde; 134,06 €, 2,3facher Satz) und 801a (Erhebung des psychischen Befunds; 33,52 €) kann lohnenswert sein, da die entstehende Summe zum 2,3fachen Satz einen höheren Wert ergibt als die bisherigen Ziffern (870/861) zum 3,5fachen Satz.
Für die neuen analogen Abrechnungsmöglichkeiten existieren jedoch gewisse Einschränkungen (z.B. Kurzzeittherapie nur 25 Sitzungen) und es existieren noch keine weitergehenden Erfahrungswerte inwieweit die Kosten durch private Krankenkassen gerade bei Ziffern-Kombinationen tatsächlich dauerhaft getragen werden.
Wenn Sie auf die Verwendung dieser analogen GOÄ-Ziffern verzichten möchten, können Sie auch die folgende „klassische“ Abrechnung anwenden:
Bei einer Verhaltenstherapie verwenden Sie die GOÄ-Ziffer 870. Für eine 50-minütige Psychotherapie können Sie 100,33 € (2,3-facher Satz) bzw. 153,00 € (3,5-facher Satz) abrechnen. Bei Bedarf kann die Ziffer 870 nach GOÄ auf zweimal 25 Minuten Verhaltenstherapie aufgeteilt werden.
Für eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie ist die GOÄ-Ziffer 861 vorgesehen. Diese können Sie mit 92,50 € zum 2,3-fachen Satz bzw. 140, 76 € zum 3,5-fachen Satz pro 50-minütiger tiefenpsychologischer Psychotherapie abrechnen. Eine Unterteilung in 25-Minuten-Abschnitte ist nicht möglich.
Für probatorische Sitzungen gelten prinzipiell die gleichen Bestimmungen wie für alle anderen Sitzungen auch. Das heißt, Sie verwenden klassischerweise die GOÄ-Ziffern 870 (Verhaltenstherapie) bzw. 861 (tiefenpsychologische Psychotherapie) bzw. mit den jüngsten Neuerungen die Ziffer 812a. Für die Kostenübernahme dieser Sitzungen ist in der Regel keine vorherige Antragstellung bei der Krankenkasse erforderlich.
Sofern nichts anderes mit dem Patienten abgesprochen ist, oder ein besonderer Schweregrad vorliegt, verwenden Sie den 2,3-fachen Steigerungssatz. Um den 3,5-fachen Steigerungssatz in den probatorischen Sitzungen abrechnen zu können, benötigen Sie entweder eine stichhaltige Begründung oder eine Honorarvereinbarung. Auch hier gelten die gleichen Bestimmungen wie für die übrigen Sitzungen.
Eine vollständige Musterrechnung nach GOÄ für die Psychotherapie von Privatpatienten erhalten Sie unter folgendem Link als Word-Dokument:
Download Musterrechnung Psychotherapie Privatpatienten
Mögliche Begründungen für den 3,5-fachen Satz bei der Psychotherapie nach den GOÄ-Ziffern 870 oder 861 können sein:
Die praktische Erfahrung zeigt, dass für die Kostenübernahme des 3,5-fachen Satzes neben einer stichhaltigen Begründung auch die Politik der einzelnen Krankenkassen ausschlaggebend ist. Manche privaten Krankenkassen verweigern die Kostenübernahme des 3,5-fachen Satzes in der Psychotherapie oftmals auch bei sehr guten Begründungen. Andere private Krankenkassen sehen hingegen teilweise auch eine schwächere Begründung als ausreichend an. Daher empfiehlt es sich für Psychotherapeuten, die Verwendung einer Honorarvereinbarung zu prüfen.
Um den 2,3-fachen Satz abrechnen zu können, wird nach GOÄ bei der Psychotherapie keine Honorarvereinbarung benötigt. Sie können als Psychotherapeut natürlich trotzdem eine Honorarvereinbarung unterschreiben lassen, um eine eindeutige Kommunikation sicherzustellen. Formal ist dies jedoch nicht erforderlich. Eine Honorarvereinbarung wird hingegen benötigt, wenn Sie zu einem höheren Satz als dem 2,3-fachen abrechnen möchten – auch wenn es sich z. B. um einen eher leichten Fall handelt.
Für Ärzte und Psychotherapeuten besteht grundsätzlich Vertragsfreiheit. Die Gebührenordnung (GOÄ/GOP) setzt hierfür jedoch einen formalen Rahmen (§2 GOÄ). Hierzu gehört, dass eine korrekte Rechnung nach GOÄ stets eine Begründung für die Abrechnung eines erhöhten Steigerungssatzes enthalten muss. Eine schwache Begründung ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung z. B. zum 3,5-fachen Satz, wenn eine Honorarvereinbarung vorliegt.
Die Höhe des Honorars wird bei einer Honorarvereinbarung vom Arzt oder Therapeuten festgelegt und kann im Rahmen der GOÄ frei bestimmt werden. Hierfür existieren letztlich keine scharfen, eindeutigen Grenzen, sondern nur gewisse Üblichkeiten. Der 3,5-fache Satz wird relativ häufig abgerechnet – auch 4,5-fache Steigerungssätze sind nicht selten. In Einzelfällen wird sogar bis zum 9-fachen Satz abgerechnet. Die Rechtslage zu sehr hohen Steigerungssätzen ist jedoch zunehmend unklar.
Wichtig ist jedoch: Der Abschluss einer Honorarvereinbarung für Psychotherapie darf nach den geltenden Regelungen nicht an einen Mitarbeiter der Praxis wie z. B. die Sprechstundenhilfe delegiert werden.
Die hier dargestellten Regelungen gelten für elektive, planbare Behandlungen und nicht für unmittelbare Notfälle.
(Download Muster Honorarvereinbarung)
Für das Verfassen des Psychotherapieantrags ist die GOÄ-Ziffer 85a (analog) abrechenbar. Pro angefangene Arbeitsstunde wird die 85a mit 67,03 € (2,3fach)vergütet.
Diese Neuerung wurde mit der gemeinsamen Abrechnungsempfehlungen der Bundesärztekammer, der Bundespsychotherapeutenkammer, dem Verband der Privaten Krankenversicherung und den Beihilfestellen von Bund und Ländern (außer Hamburg und Schleswig-Holstein) mit Geltung ab 1. Juli 2024 ermöglich.
Die bisherige Abrechnung der GOÄ-Ziffer 808 für den Psychotherapie-Antrag ist weiterhin möglich, jedoch mit 53,62 € (2,3 fach) geringer vergütet.
Einmalig pro Fall können Sie die biografische Anamnese unter der GOÄ-Ziffer 860 abrechnen. Sie wird mit 123,33 € (2,3-facher Satz) bzw. 187,67 € (3,5-facher Satz) vergütet. Die gleichzeitige Abrechnung mit einer regulären Sitzung der Verhaltenstherapie (870) oder tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie (861) ist in der Regel möglich.
Weitere abrechenbare GOÄ-Ziffern in der Psychotherapie sind:
Bei höherem Aufwand für die gutachterliche Äußerung können Sie die GOÄ 85 (67,03 € je angefangene Stunde bei 2,3-fachem Satz) abrechnen. Viele private Krankenkassen akzeptieren bei Schriftstücken wie Befundberichten und Gutachten jedoch nur der 2,3-fachen Satz.
Für ärztliche Psychotherapeuten (z. B. Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie) gibt es außerdem die Möglichkeit, einzelne längere Termine in einem ähnlichen Umfang wie eine Psychotherapie-Sitzung abzurechnen. Hierzu können die GOÄ-Ziffern 801 (Psychiatrische Untersuchung) und 806 (Psychiatrische Behandlung) kombiniert werden, wobei die Ziffer 806 zweimal abgerechnet wird. Diese Form der Rechnungsstellung bietet den Vorteil, z. B. bei einem erschöpften Psychotherapie-Kontingent, dennoch vergleichbar abrechnen zu können. Von manchen privaten Krankenkassen wird die mehrfache Abrechnung der Ziffer 806 am selben Tag jedoch kritisch gesehen.
Erfahrungsgemäß zahlt eine Mehrzahl der Privatpatienten die Rechnung nach GOÄ für Psychotherapie nicht fristgerecht, sondern eher 1 bis 3 Wochen später. In vielen Fällen dauern Postzustellung und bürokratische Erledigung länger als die Zahlungsfrist – insbesondere, wenn zunächst der Kostenausgleich durch die private Krankenkasse abgewartet wird. Im Sinne der Arbeitseffizienz und für ein gutes Verhältnis zum Patienten kann es sinnvoll sein, individuell abgestimmt mehr Zeit für die Begleichung der Rechnung einzuräumen.
Erste Mahnungen können 2 Wochen nach Zahlungsverzug geschrieben werden – oder auch erst nach 4 oder 6 Wochen. In der Regel haben Privatpatienten bei der Psychotherapie eine gute Zahlungsmoral und es gibt keine grundsätzlichen Schwierigkeiten. Erfahrungsgemäß ist ein effizienter Arbeitsrhythmus, wenn Sie z. B. einmal im Monat Ihre Abrechnung nach GOÄ für Ihre psychotherapeutischen Leistungen auf den Weg bringen und dabei auch gleich mögliche Mahnungen für ausstehende Zahlungen mit erledigen. Gegen eine prozentuale Gebühr ist es auch möglich, Dienstleister wie die PVS mit dem Zahlungseinzug zu beauftragen.
Tipp: Ultima Ratio kann ein Einzug des Rechnungsbetrags relativ unkompliziert über das örtliche Amtsgericht und den Gerichtsvollzieher beantragt werden – auch ohne Anwalt. Das ist jedoch selten erforderlich.
Die Einbeziehung eines Anwalts sollte unter Abwägung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses gut überlegt sein und ist meist nur in sehr seltenen Extremfällen nötig. Unter Einhaltung gewisser Voraussetzungen können die Anwaltskosten auf den Schuldner umgelegt werden.
Bei Interesse zu finanziellen und buchhalterischen Aspekten schauen Sie doch gerne auch einmal in unseren Leitfaden zur Gründung einer Privatpraxis für Psychotherapie.
Eine vollständige Rechnung für die Psychotherapie nach GOÄ enthält die folgenden Angaben:
Nähere Informationen hierzu finden Sie auch in unserem Leitfaden mit Musterrechnung für Psychotherapie für Privatpatienten.
Die meisten dieser Felder müssen für jede Psychotherapie-Rechnung nach GOÄ individuell angepasst werden. Hierbei passieren bei manueller Rechnungserstellung mit Word und Excel erfahrungsgemäß häufig Fehler. Wie Sie diese leicht vermeiden können, erfahren Sie im Folgenden.
Sie können Rechnungen nach GOÄ z. B. mit Excel und Word händisch erstellen. Dies ist jedoch langwierig und fehleranfällig. Viel einfacher ist es, wenn Sie ein Abrechnungsprogramm für Psychotherapie wie z. B. Tymia nutzen.
Die Praxissoftware Tymia wurde für psychotherapeutische Privatpraxen entwickelt. Sie ermöglicht Ihnen eine sehr schnelle, einfache und fehlerfreie Erstellung Ihrer GOÄ-Rechnungen für Psychotherapie. Auch Coaching-Termine können Sie mit Tymia als Abrechnungsprogramm unkompliziert abrechnen. Die Abrechnungsdaten werden dabei direkt aus Ihrem Terminkalender entnommen – das spart viel Zeit.
Für eine durchschnittliche psychotherapeutische Privatpraxis sinkt der monatliche Zeitaufwand für die Erstellung von Rechnungen mit Tymia von ca. 4 Stunden mit Word oder Excel auf ca. 10 Minuten. Ein weiterer Vorteil ist die deutlich niedrigere Fehlerrate.
Quellen:
Autor:
Dr. med. Robert Sarrazin – Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
20.09.24