Digitalisierung in der Psychotherapie

Effektivität und Nutzen von digitalen Formaten

Die Digitalisierung spielt auch in der Medizin eine zunehmend wichtige Rolle. Fast alle Arztgruppen sowie Psychotherapeuten dürfen Patienten mittlerweile auch per Videosprechstunde betreuen. Spricht aus therapeutischer Sicht nichts dagegen, kann eine Psychotherapie teilweise oder sogar vollständig per Video stattfinden.

Dabei sind verschiedene psychotherapeutische Leistungen in einer Videosprechstunde zulässig, unter anderem:

  • Psychotherapeutische Sprechstunde und probatorische Sitzungen
  • Akutbehandlung
  • Einzel- und Gruppentherapie
  • Entspannungsverfahren
  • Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU)

Eine Psychotherapie per Video kann sowohl für Behandler als auch für Patienten zahlreiche Vorteile bieten. Videosprechstunden können beispielsweise Praxisabläufe entlasten, Infektionsrisiken minimieren und eine flexiblere Arbeitsgestaltung ermöglichen.

Im ländlichen Raum lässt sich die ärztliche und psychotherapeutische Versorgung durch Online-Angebote verbessern und auch Patienten mit Mobilitätseinschränkungen profitieren von einem breiteren Spektrum an Behandlungen. Außerdem können Videosprechstunden und digitale Gesundheitsanwendungen die Hemmschwelle senken und so den Zugang zur psychotherapeutischen Versorgung erleichtern.

Effektivität von Videosprechstunden in der Psychotherapie

Im Jahr 2024 ist die Anzahl telefonischer Beratungen im Vergleich zum Vorjahr um 10,8% gestiegen. Die Anzahl der Videosprechstunden nahm sogar um 24,8% zu. Von den insgesamt 2,7 Millionen Videosprechstunden, die 2024 durchgeführt wurden, entfielen etwa 50% auf Hausärzte und weitere 30% auf Psychotherapeuten.

Aufgrund der steigenden Relevanz dieser Psychotherapieform, wurden Studien durchgeführt, die die Effektivität von Videobehandlungen mit der klassischen Psychotherapie in Präsenz verglichen. In einer Meta-Analyse von Batastini et al. (2021) wurden 57 Studien zu dieser Fragestellung ausgewertet. Die Meta-Analyse zeigte, dass beide Therapieformen vergleichbare Ergebnisse erzielten.

Die Wirksamkeit einer Psychotherapie hängt zudem eng mit der Patientenzufriedenheit zusammen. Eine weitere Studie (Jenkins-Guarnieri et al., 2015) zeigte, dass die Zufriedenheit der Patienten sowie die Therapeut-Patienten-Beziehung in einer Videotherapie vergleichbar mit der Behandlung in Präsenz sind.

Anforderungen an Psychotherapeuten und Ärzte

Ärzte und Psychotherapeuten müssen nur wenige technische Anforderungen erfüllen, um Patienten per Videosprechstunde betreuen zu können. Neben einer stabilen Internetverbindung und der notwendigen technischen Ausrüstung ist die Nutzung eines zertifizierten Videodienstanbieters erforderlich.

Um Videosprechstunden abrechnen zu dürfen, müssen Ärzte und Psychotherapeuten dies zunächst bei der KV anzeigen. Dafür erhalten sie vom Videodienstanbieter in der Regel ein Dokument, welches anschließend bei der KV eingereicht wird.

Tymia ist ein von der KV zertifizierter Videodienstanbieter und erfüllt alle gesetzlichen Anforderungen nach DSGVO für Gesundheitsberufe. Mit der Praxissoftware von Tymia können zudem Rechnungen nach GOÄ/GOP erstellt, Therapieverläufe dokumentiert und Online-Termine vergeben werden.

Eine Videosprechstunde muss nicht zwingend in der Praxis stattfinden, sondern darf auch aus dem Homeoffice angeboten werden. Voraussetzung ist ein geschützter Raum, in dem der Datenschutz gewährleistet ist. Videosprechstunden aus dem Ausland sind jedoch nicht gestattet.

Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) darf ebenfalls in einer Videosprechstunde ausgestellt werden, sofern die Symptomatik per Video hinreichend abgeklärt werden kann. Bei unbekannten Patienten darf die AU bis zu 3 Tage betragen, bei bekannten Patienten bis zu 7 Tage.

Für Behandlungen per Video setzt die Kassenärztliche Vereinigung Obergrenzen fest. Ärzte und Psychotherapeuten dürfen bis zu 50% ihrer Patienten pro Quartal ausschließlich per Video behandeln. Patienten, die sowohl in die Praxis kommen als auch die Videosprechstunde nutzen, fallen nicht unter diese Grenze.

Die Grenze gilt zudem für eine gesamte Praxis. Das bedeutet, dass in einer Gemeinschaftspraxis einzelne Behandler über dieser Quote liegen dürfen, solange die Praxis insgesamt die Obergrenze nicht überschreitet.

Abrechnung von Videosprechstunden in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)

Leistungen in der Psychotherapie behalten im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) ihre Gebührenordnungsposition, unabhängig davon, ob sie per Video oder in Präsenz durchgeführt werden. Sie werden lediglich zusätzlich mit einem „V“ gekennzeichnet.

Die wichtigsten GOP in der Psychotherapie sind:

  • Probatorische Sitzung (GOP 35150)
  • Psychotherapeutische Sprechstunde (GOP 35151)
  • Psychotherapeutische Akutbehandlung (GOP 35152)
  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
    • Kurzzeittherapie 1 (GOP 35401), Kurzzeittherapie 2 (GOP 35402)
    • Langzeittherapie (GOP 35405)
  • Analytische Psychotherapie
    • Kurzzeittherapie 1 (GOP 35411), Kurzzeittherapie 2 (GOP 35412)
    • Langzeittherapie (GOP 35415)
  • Verhaltenstherapie
    • Kurzzeittherapie 1 (GOP 35421), Kurzzeittherapie 2 (GOP 35422)
    • Langzeittherapie (GOP 35425)
  • Systemische Therapie
    • Kurzzeittherapie 1 (GOP 35431), Kurzzeittherapie 2 (GOP 35431)
    • Langzeittherapie (GOP 35435)

Neben den klassischen Gebührenordnungspositionen können in der Videosprechstunde auch Zuschläge für technischen Mehraufwand abgerechnet werden:

  • Zuschlag für die Authentifizierung eines unbekannten Patienten (GOP 01444)
  • Zuschlag für die Betreuung eines Patienten per Video (GOP 01450)

Zu beachten ist, dass die Kassenärztliche Vereinigung Abschläge auf die Vergütung vornimmt, wenn ein Patient in einem Quartal ausschließlich die Videosprechstunde nutzt und kein persönlicher Kontakt stattgefunden hat. Dies muss in der Abrechnung mit der Pseudo GOP 88220 gekennzeichnet werden. Je nach Fachgruppe fällt dieser Abschlag unterschiedlich aus:

  • Abschlag von 20%: Allgemeinmedizin, Pädiatrie, Neurologie, Psychosomatik, Psychotherapie, Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie, Schmerztherapie sowie Nuklearmedizin
  • Abschlag von 25%: Innere Medizin, Gynäkologie, Chirurgie, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Humangenetik, Dermatologie, Orthopädie und Urologie
  • Abschlag von 30%: Anästhesie, Augenheilkunde sowie Hals-Nasen-Ohrenheilkunde

Weitere Informationen zur Abrechnung nach EBM sowie eine Übersicht der wichtigsten Gebührenordnungspositionen in der Psychotherapie finden Sie hier.

Abrechnung von Videosprechstunden in der Privaten Krankenversicherung (PKV)

Bei privaten Ärzten und Psychotherapeuten erfolgt die Abrechnung nicht nach dem EBM, sondern anhand der Gebührenordnung für Ärzte bzw. Psychotherapeuten (GOÄ/GOP). Auch hier existieren keine eigenen Ziffern für Leistungen, die in einer Videosprechstunde durchgeführt werden. Die Videosprechstunde wird wie eine normale Konsultation in der Praxis abgerechnet.

Informationen zur Abrechnung nach GOÄ und GOP für private Ärzte und Psychotherapeuten finden Sie hier.

Digitale Gesundheitsanwendungen in der Psychotherapie

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind Apps oder Websites, die Patienten auch außerhalb von Sprechzeiten bei der Überwachung oder Behandlung ihrer Erkrankung unterstützen können.

Ärzte und Psychotherapeuten können Digitale Gesundheitsanwendungen auf einem Rezept verordnen, sofern diese im sogenannten DiGA -Verzeichnis aufgenommen wurden. Dafür müssen sie zuvor vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Nutzen und Sicherheit geprüft worden sein.

Es gibt bereits einige DiGA, die dauerhaft in die Leistungen des EBM aufgenommen wurden und zur unterstützenden Behandlung psychiatrischer oder somatischer Erkrankungen entwickelt wurden.

Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt die Kosten einer DiGA, wenn sie im DiGA-Verzeichnis des BfArM erfolgreich bewertet und aufgenommen wurde. Allerdings können auch vorläufig aufgenommene DiGA verordnet werden.

Grundsätzlich gibt es für Patienten zwei Wege, Zugang zu einer DiGA über die Krankenkasse zu erhalten:

Ärzte und Psychotherapeuten dürfen eine DiGA bei entsprechender medizinischer Indikation verordnen. Dafür füllen sie das Formular 16 aus, das die versicherte Person anschließend bei ihrer Krankenkasse einreichen kann. Jede DiGA besitzt eine eigene Pharmazentralnummer (PZN), die auf der Verordnung angegeben werden muss.

Alternativ können Patienten mit entsprechender Indikation den Antrag auf Genehmigung der DiGA direkt bei ihrer Krankenkasse stellen.

Jede DiGA hat eine bestimmte Anwendungsdauer, die vom Hersteller vorgegeben ist. Besteht nach Ablauf weiterhin eine Indikation, kann in der Regel eine Folgeverordnung ausgestellt werden.

Einige DiGA besitzen eine eigene Gebührenordnungsposition im EBM, andere nicht. Grund dafür ist, dass nach Auffassung der KV bei bestimmten DiGA keine ärztliche Tätigkeit erforderlich ist. Ärzte und Psychotherapeuten können daher zwar ein Rezept ausstellen, jedoch keine separate GOP abrechnen. Die Vergütung der Verordnung fällt in diesem Fall unter die Versicherten- und Grundpauschale.

DiGA mit eigener Gebührenordnungsposition (GOP)

Die DiGA Somnio dient der Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen bei Patienten ab dem 18. Lebensjahr. Die Verlaufskontrolle kann einmal im Behandlungsfall mit der GOP 01471 abgerechnet werden. Diese GOP kann nicht nur von Psychotherapeuten und Psychiatern, sondern u.a. auch von Hausärzten, Gynäkologen, HNO-Ärzten, Kardiologen und Pneumologen sowie anderen Internistischen Fachärzten abgerechnet werden.

Invirto wurde zur Behandlung von Agoraphobie, sozialer Phobie und Panikstörung bei Patienten im Alter von 18 bis 65 Jahren entwickelt. Für Invirto gibt es keinen gesonderten Arztzugang, weshalb die Verlaufskontrolle nicht in einer Videosprechstunde erfolgen kann. Die Leistung wird mit der GOP 01474 abgerechnet und kann von Ärzten sowie Psychotherapeuten mit Genehmigung zur Verhaltenstherapie erbracht werden.

DiGA ohne eigene Gebührenordnungsposition

Die meisten im DiGA-Verzeichnis gelisteten Anwendungen werden zwar von den Krankenversicherungen erstattet, besitzen jedoch keine eigene Gebührenordnungsposition im EBM.

ADHS

  • Attexis: ADHS im Erwachsenenalter
  • HiToco: ADHS-Elterntraining
  • ORIKO ADHS

 

Depressionen

  • Deprexis
  • Edupression
  • Elona explore
  • Elona therapy depression
  • My7steps
  • Novego
  • Selfapy

 

Angst- und Panikstörungen

  • HelloBetter: Panikstörung und Agoraphobie
  • Mindable: Panikstörung und Agoraphobie
  • Mindable: Soziale Phobien
  • Novego: Agoraphobie, Soziale Phobien, spezifische Phobien, Panikstörung
  • Selfapy: Generalisierte Angststörung
  • Velibra: Agoraphobie, Soziale Phobien, Generalisierte Angststörung, Panikstörung

 

Insomnie, Ein- und Durchschlafstörungen

  • HelloBetter Schlafen
  • Somnovia

 

Essstörungen

  • Selfapy – Binge-eating-Störung
  • Selfapy – Bulimia nervosa

 

Sucht und Abhängigkeit

  • NichtraucherHelden: Rauchstopp
  • Smoke Free: Rauchstopp
  • Vorvida: Schädlicher Gebrauch von Alkohol und Alkoholabhängigkeitssyndrom

 

Weitere

  • HelloBetter Chronische Schmerzen: Schmerzstörungen und Fibromyalgie
  • NeuroNation MED: Leichte kognitive Störung
  • Priovi: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ

 

Eine Auflistung der DiGA zur Behandlung somatischer Erkrankungen finden Sie im DiGA-Verzeichnis des BfArM.

Literatur

Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

Videosprechstunde um 23 Prozent gestiegen. TK – Presse. Abgerufen am 03.12.2025, von https://www.tk.de/presse/themen/digitale-gesundheit/telemedizin/videosprechstunde-um-23-prozent-gestiegen-2178314?tkcm=aaus

Mangiapane, Sandra, et al. „ZI-Trendreport zur vertragsärztlichen Versorgung.“ Bundesweiter tabellarischer Report vom 1. Quartal 2021 bis zum 4. Quartal 2024  (2021).

Batastini, Ashley B., et al. „Are videoconferenced mental and behavioral health services just as good as in-person? A meta-analysis of a fast-growing practice.“ Clinical psychology review83 (2021): 101944.

Jenkins-Guarnieri, Michael A., et al. „Patient perceptions of telemental health: Systematic review of direct comparisons to in-person psychotherapeutic treatments.“ Telemedicine and e-Health8 (2015): 652-660.

03.12.2025

Autor

  • Dr. med. Robert Sarrazin - Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie - Geschäftsführer Tymia GmbH

    Dr. med. Robert Sarrazin arbeitet als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in eigener Praxis. Zu seinen Behandlungsschwerpunkten zählen u.a. Depressionen, Angst- und Panikstörungen, chronische Überlastung und Burnout sowie psychosomatische Beschwerden. Dr. Sarrazin unterstützt seine Patienten mit verhaltenstherapeutischer Psychotherapie sowie bei Bedarf zusätzlich mit Medikamenten. Er greift dabei auf eine langjährige praktische Berufserfahrung in verschiedenen Kliniken und im ambulanten Bereich zurück.

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